Team JIDÉ

 

Aus der Ausgabe 04/2016 der Alpine Post.

Jidé Logo - Werner Fahnert

Nächtelang haben wir Werner`s 1860S Gr. 4 durchgecheckt und für Rallye tauglich befunden. Werner und ich wollen die Phyrn-Eisenwurzen-Rallye fahren. Nein, nein – keine Winke- Winke, Kirchturm immer in Sicht Rallye sondern zwei Tage „Flat out“. Mit anderen Worten – wer später bremst ist länger schnell. Nette Menschen, tolle Gegend, super Straßen. Da lohnen sich die 800 Kilometer Anreise. Nach 12 Stunden Fahrt sind wir schon vor Ort. Kurz im Hotel eingecheckt, ein paar Freunde begrüßt und los geht`s. Das Leben ist schön.

Plötzlich, ganz unverhofft, ein kurzes „Krack“. Nichts Gutes ahnend schauen wir uns an. Das Ergebnis gefällt uns gar nicht. Motor dreht, Fahrzeug steht. Ausgerechnet dieses Mal haben wir das Ersatz 364er-Getriebe nicht dabei.

Es hätte so schön werden können - wenn, ja, wenn „Mann“ vielleicht ein anderes Auto genommen hätte. Wir hatten aber gerade keins. Mit erhobenem Zeigefinger höre ich euch schon reden: „Ihr Vollpfosten, wer so fährt wie ihr, der braucht sich nicht zu wundern. Das halten unsere schönen alten Autos nicht aus!“

Kann schon sein. Hier verhält es sich aber anders. Wir waren noch gar nicht „Böse“. Gerade eben haben wir unsere Berlinette vom Anhänger gerollt und dann beim Rangieren auf dem Hotelparkplatz dieses hässliche Geräusch.

Wie in Zeitlupe - das Gesicht zur Grimasse verzogen, steigt Werner aus und kommt auf mich zu. Mit schwerem Zucken im Gesicht sagt er zu mir: „Jung, willst du Dich von etwas Trennen, musst Du es Verbrennen.“ Schon fuchtelt er mit seinem Zippo Feuerzeug herum und macht sich vorne am Tank zu schaffen. Diesmal meint er es offensichtlich ernst. Wie wir alle Wissen - wenn so eine Plastekarre erst mal fackelt, ist meistens nichts mehr zu machen. Mit einem leichten Leberhaken kann ich schlimmeres verhindern. Das Zippo verschwindet wieder in seiner Hosentasche – das war knapp. Werner ist emotional sehr aufgewühlt und dreht am Begrenzer, schon hat er eine neue Idee. „Da vorne, gleich hinter dem Hotel ist eine 200 Meter tiefe Schlucht. Komm, wir schieben sie da rein. Sie hat es sich verdient“, höre ich ihn schimpfen. Zum Glück rollt „das Biest“ nicht mehr, das Getriebe ist blockiert, nichts geht mehr. Als erfahrener Co-Pilot erkenne ich sofort – Fahrer läuft im Notlaufprogramm, da muss umgehend gehandelt werden. Deeskalierend nehme ich ihn dezent zur Seite und führe ihn direkt in die Hotelbar. Beileidsbekundungen von allen Seiten. Wir sind schon „out off Rallye“, bevor es losgeht. Auch der wirklich ernst gemeinte Vorschlag eines Käfertreters – nehmt doch mein`s, ist doch auch Pendelachse – kann uns nicht aufheitern. Es folgt ein amtlicher Vollrausch. Weil wir schlechte Zuschauer sind, fuhren wir direkt am nächsten Morgen heim. Na Gratula, das hat sich ja richtig gelohnt.

JIDÉ Werner Fahnert und Bettina Forster

Werner geht`s richtig schlecht und er hadert mit seinem Schicksal. „Warum immer bei mir, isch han die Schnauze voll. Jung`, ich sag dir was, ich kann nicht mehr – und ich will auch nicht mehr. Der ganze Pendelachskram wird verkauft.“ Häh? Werner Alpine verkaufen? Keine Rallyes mehr? Nein, keine Sorge, nicht mit Werner. Auch mit Anfang Sechzig befindet er sich körperlich und geistig noch nicht auf dem Rückzug - da geht noch was. Parallel zum Rallyefahren schraubt er seit etlichen Jahren an einer Vierloch – Berlinette. Dieses wirklich ehrgeizige Projekt wird aber noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Also, Freizeit hat er ja genügend und damit ihm in der restlichen Zeit nicht langweilig wird, darf es mal was Neues zum Fahren sein.

Aber wenn schon, dann bitte nicht so`ne Kiste die jeder – und überhaupt, chic soll sie sein und bitte schön, wenn möglich, gehen soll Sie wie Sau. Das musste ich erstmal sortieren. Momentchen mal. Großserienprodukte sind ihm zuwider und scheiden von vornherein aus. Opel, Ford, Porsche – alle gute Rallyewagen, sofort rote Karte. Wenn die Kiste aber französischer Herkunft ist - mit Renault- Technik ausgerüstet, die er so liebt und dann noch Kleinstserie, da geht er steil. Kommt eigentlich nur ein Fahrzeug in Frage. Als guter Co-Pilot konnte ich sofort helfen. Aus erster Hand wusste ich, dass mein anderer Chauffeur sein Auto verkaufen wollte. Es handelt sich um die Euch allen bekannte JIDE 1600, mit der Dirk und ich vier Jahre unterwegs waren. Wir hatten keine Probleme, sowas kennt der Werner noch gar nicht. Meinen Vorschlag, JIDE 1600, Gruppe 5 bis 6, keine 700 Kilogramm, 200 PS bis in die Räder, Stückzahl Eins in Deutschland, akzeptierte er mit einem Lächeln. Zwei Wochen später hatte er die JIDE in seiner Werkstatt stehen. Die Alpine verkaufte er nach erfolgter Reparatur an einen spanischen Sportsfreund. Der frankophil veranlagte Autofreak kennt die JIDE. Der aufmerksame „Alpine-Post“- Leser erinnert sich. Auf das allgemein Bekannte, wie Technik von Renault, Mittelmotor, super flach, sehr selten - gehe ich hier nicht näher ein. In diesem Fall verhält es sich etwas spezieller. Ihr habt es doch auch schon gemerkt, Werner ist ein extremer Typ. Das merkt man beim Beifahren mit ihm und man sieht es seinen Autos an – vom Feinsten. Er duldet keine Kompromisse oder fragwürdige Detaillösungen anderer. Das Beste erscheint ihm gerade gut genug. Pfusch – da kann er richtig böse werden. Die erste Rallye fuhr er direkt nach dem Kauf. Nur eine kurze technische Durchsicht und schon ging`s los. Nach nur einer WP reifte die Erkenntnis – Geht ja gar nicht. Unfahrbar, da muss`te wohl nochmal bei. Als erstes kümmerte er sich um die Optik. Jean Ragnotti fuhr in den 70`er Jahren die einzige Werks-JIDE. Mehr als einmal ärgerte er damit die Großen. Werner hat die Optik seiner JIDE dem Werkswagen zu 100 % nachempfunden. Da passt jeder Aufkleber. Das hat er richtig gut drauf. Jetzt sah das Auto zwar Klasse aus, fuhr aber immer noch bescheiden. Das Gesamtkonzept der JIDE gefiel ihm. Mit den technischen Detaillösungen der Vorbesitzer konnte er nicht leben. Dazu muss man wissen, dass heutzutage auch mit historischem Gerät richtig schnell gefahren wird. Die Motorleistung ist stark angestiegen. Reifen und Fahrwerkstechnik haben sich enorm weiter entwickelt. Das geht auch schon mal zu Lasten der Originalität. Verändert man ein Teil, muss auch das Umfeld angepasst werden, sonst funktioniert das nicht. Wer von Euch schon mal mit 160 km/h auf Schotter über einen Waldweg gefahren ist, weiß wovon ich spreche. Kleines Beispiel gefällig? Als ich einmal beiläufig erwähnte, dass an seiner JIDE an der Hinterachse der obere Querlenker von einer Renault 12-Vorderachse verbaut ist, verfiel er sofort in eine Art Schnappatmung. Angewidert verließ er seine Werkstatt. Werner gefällt es, wenn etwas gut funktioniert. Sieht es dann noch akkurat und edel aus, kann er sich freuen

wie Bolle. Alleine schon der Gedanke daran – Renault 12, die Inkarnation von allem Hässlichen - und davon Teile an meinem Auto, das bereitet ihm Schmerzen.    

JIDÉ Team Alpine - Werner Fahnert

Umgehend wurde die komplette Hinterachse demontiert und sein Kumpel Hardy musste eine Neue konstruieren. Gleiche Baustelle, anderes Teil, die Schaltbetätigung. Bei der JIDE sitzt das Getriebe in Fahrtrichtung ganz hinten. Das Auto ist knapp geschnitten, also kein Platz. Und schon wird der Franzose kreativ. Genau da, wo man das Teil eigentlich nicht vermutet, biegt Le Createur 2 Meter Rohr 5mal um`s Eck. Dann noch schön schwergängig gelagert und schon hat er fertig. Im Showroom mag das funktionieren, aber auf Rallye? Bei Werner? Nach einem 20 Meter Sprung? Mehr als fragwürdig. Was nicht taugt fliegt raus. Diese ständigen Getriebeprobleme - muss man nicht haben. Also Demontage. Verbaut wurde ein UN1-Getriebe, das hält. Teile, falls überhaupt benötigt, jederzeit verfügbar und es ist preiswert. Die Schaltbetätigung wurde auf ein selbstkonstruiertes Seilzugsystem umgerüstet. Die Gänge saugen sich jetzt quasi von selbst rein. So eine, na sagen wir mal Maßnahme, zieht er mit Hartmut an einem verlängerten Wochenende durch. Das ist schon Hardcore. Natürlich, du kannst das Rad nicht neu erfinden - aber du kannst dir Gedanken machen, dass es sich leichter dreht, dass es sich länger dreht. Wenn es sich dann noch schneller dreht, hast du alles richtig gemacht. Ein schönes Detail an der JIDE ist die Kühlluftführung, vorne unten ins Auto rein. Durch den Wasserkühler nach oben und dann kurz vor der Frontscheibe wieder raus. Das wirkt sich positiv aus. Der Anpressdruck der Vorderachse erhöht sich auch ohne Frontspoiler beträchtlich. Das kann so bleiben, da freut sich der Werner. Ja gut, elektrische Wasserpumpe und Samco-Schläuche, das muss schon sein. Dirk, der Vorbesitzer, arbeitet bei Ford in der Entwicklung. Bei der Bremsanlage wurden konsequenterweise Ford-Komponenten verbaut. Aufgewertet wird das Ganze mit AP-Racing-Teilen. Mittels Waagebalkensystem ist die ganze Bremsanlage komplett einstellbar. Das funktioniert richtig gut. Kein Fading, exakter Druckpunkt – das darf bleiben, schwärmt Werner. Nach jeder Rallye werden Teile getauscht. Falls erforderlich, auch ganze Baugruppen. Technisch gesehen, befindet sich die JIDE in einem ständigen Fluss. Beim Motor ist er mittlerweile bei 2,5 Liter Hubraum angelangt. Einzeldrossel, 250 PS, dieselmäßiges Drehmoment. Die ganze Fuhre wiegt 750 kg. Dadurch ergeben sich Fahrleistungen die einen seiner Co-Piloten komplett überforderten. Er ist seitdem nie wieder als Co-Pilot mitgefahren. Die Brutalität, wie es in diesem Gerät zur Sache geht, hatte ihm regelrecht die Sprache verschlagen. Ein Problem stellt z.B. die Lautstärke im Innenraum dar. Dirk und ich haben es nachgemessen. Der Ansaugtrichter von Zylinder Eins ist 28 cm vom linken Ohr des Fahrers entfernt. Da geht dir der Sound sozusagen direkt in die Rübe. Ich persönlich sehe die JIDE auch eher als optimalen Bergrennwagen. Nach drei, vier Kilometern ist alles vorbei und du hast erstmal Pause. Aber bei der Rallye hat der Beifahrer seinen Helm von morgens bis abends auf dem Kopf. Es gibt keine Ablagemöglichkeit. Ich erinnere mich mit Grauen. Bei der Eifel-Rallye wird drei Tage gefahren – man, war ich fertig. Werner reicht dies alles immer noch nicht. Immer weitermachen lautet seine Devise. Er sieht in der JIDE die Basis für das für ihn ideale Rallyeauto, das er ständig weiter entwickelt. Vielleicht bringt die Zukunft auch hier den 16-Ventiler genau so, wie bei seiner aktuellen Rallye-Alpine. Wer noch einen 4-Ventilkopf im Regal liegen hat, darf sich gerne melden, das wäre genial. Bei Werner sind die Teile in guten Händen und werden ihrer ursprünglichen Bestimmung zugeführt - dem Fahren.

Text: Jürgen Petschock